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Im Juli 2002 war Esther Odhiambo aus Kenia in Stuttgart zu Besuch. Ausgerichtet und finanziert wurde er von „Kranich“ und „Brot für die Welt“

Esther Odhiambo hat vor acht Jahren die Gruppe KIBISOM (auf Luo heißt das „Kommt her und lernt“) gegründet und mit Gesundheits-Programmen vor allem die Mütter erreicht. Inzwischen sind von den 17000 Einwohnern 700 Kinder zu Waisen geworden, denn die Zahl der AIDS-Kranken ist auf Rusinga Island sehr hoch. Man schätzt, dass jede dritte Frau das Virus in sich trägt. 243 Frauen und 11 Männer sind Mitglied bei KIBISOM, 173 Waisenkinder werden betreut. Gemeinsam haben sie einen Kindergarten, ein AIDS-Beratungshaus mit Versammlungsraum und Räume für Schneiderei, Papier- und Seifenherstellung gebaut. Und sehr wichtig: die Schulbuchausleihe mit Nachhilfestunden für Schüler, die ihren Schulbesuch aus Not abbrechen mussten.

Esthers Besuch hat den Blick auf beiden Seiten erweitert. Viele Vorträge und Gespräche haben neue Einsichten vermittelt, z. B. über Jugendfarmen, Sonderschulen, Seifenwerk Speick, Bio-Landbau, Weltläden, Jugendkirchentag und neue Medikamente, AIDS-Hilfen und -Seelsorge, Bibelhaus, Drogenprobleme usw.. Stellvertretend wohl für alle anderen Kranich-Projekt-Partner hat Esther einige Fragen beantwortet:

Frage:
Esther, du bist nun acht Wochen zu Besuch in Deutschland. Du hast dich immer wieder mit dem Thema AIDS hier und in Afrika beschäftigt – was ist in Deutschland anders als bei euch in Kenia?
Antwort:
Eigentlich alles! Wenn ich sehe, wie die Menschen hier leben, glaubt man im ersten Moment gar nicht, dass AIDS eine Rolle spielt. Man sieht kaum Arme, alles ist sauber und fast jeder Deutsche hat Arbeit. Und die Kinder gehen alle zur Schule.

Frage:
Willst du damit sagen, dass die hohen Infektionsraten in Afrika mit diesen Punkten zusammenhängen? Gerade im Westen Kenias nennt UNAIDS die Zahl von 30 bis 40 Infektionen auf einhundert Menschen im sexuell aktiven Alter?
Antwort:
Ja, so ist es. Wir haben auf Rusinga Island das Problem, dass die jungen Leute keine Arbeit haben. Die Fischerei auf dem Victoria-See läuft nicht mehr, denn die kleinen traditionellen Fischerboote können nicht weit genug hinausfahren, um den großen Victoria-Barsch zu fangen. Dieser eingesetzte Fisch hat die kleinen Fische im Uferbereich gefressen, der Victoria-Barsch ist ein Export-Fisch, er wird in Fabriken verarbeitet, aber davon haben die einheimischen Fischer nichts. Sie können nicht einmal mehr ihre Kinder in die Schule schicken, Trostlosigkeit macht sich breit und auch AIDS.

Frage:
Was tut ihr dagegen? Könnt ihr über dieses Problem und auch über AIDS mit den Leuten reden?
Antwort:
Ja, diese Aufgabe haben wir uns in KIBISOM gestellt. Aber wenn ich sehe, wie ihr in Deutschland aufklärt, dann sieht es bei uns doch ganz anders aus. Wir hängen auch Plakate auf und sprechen über AIDS, aber immer im eher medizinischen Sinn. Jeder hat einen AIDS-Kranken zuhause, Kinder pflegen ihre Eltern bis zum Tod, alle haben so Angst davor, dass sie in Panik geraten. Es ist schwer, wirklich darüber zu reden. Bei der Beerdigung sagt der Pastor, er oder sie starb an Malaria, Fieber oder Lungenentzündung. Aber jeder weiß, es war AIDS. Doch diese Schande will keiner in der Familie haben. Deshalb wollen wir in KIBISOM Kinder und Jugendliche dazu bringen, dass sie gar nicht erst AIDS bekommen. Die staatliche Kampagne lautet zwar „ABC“, das bedeutet Abstinenz, Treue, Kondom, das hört sich gut an, ist aber ziemlich unrealistisch. Kinder sind neugierig und probieren alles aus. Wir wissen, dass Mädchen mit zwölf, dreizehn Jahren ihren ersten Sex haben. Meistens werden sie von älteren Männern begehrt. Ein afrikanisches Mädchen darf nicht „Nein“ sagen. Das ist Tradition. Treue ist auch utopisch, das kann jede afrikanische Frau bestätigen. Nur die Männer sagen es nicht. Also ist das Kondom doch das kleinste Übel, oder?

Frage:
Wissen denn die älteren Männer nichts von AIDS? Sie müssten doch auch Angst haben?
Antwort:
Das ist eine schwierige Frage für mich als Frau. Ich denke, die Männer pochen auf ihrem Recht, mehrere Frauen zu heiraten und dann noch Freundinnen zu haben. Sie brauchen das für ihr soziales Ansehen, für ihren Clan und für ihren Körper. Die Frauen mögen das nicht, aber was sollen sie machen? Beim Verliebt Sein setzt der Verstand aus ...Bald hat ein Mädchen ein Kind und kann sich nicht allein helfen. Alle diese Probleme müssen wir ansprechen, das ist nicht leicht. Und wird auch noch lange nötig sein...

Frage:
Was macht ihr konkret? Gibt es eine kurzfristige und eine langfristige Sicht?
Antwort:
Wir fragen uns, was brauchen die Jugendlichen. Wir zeigen zum Beispiel Videos - wir haben abends 2 Stunden Strom mit Hilfe unserer Solaranlage - und diskutieren darüber. Wir lassen auch die kleinen Kinder dabei sitzen, obwohl die Filme erst ab sechzehn empfohlen werden. Aber die meisten sind Waisen und kennen das Leid und Sterben ihrer Eltern. Wir lassen die Jugendlichen hinterher diskutieren, Mädchen und Jungen nicht getrennt, sondern gemeinsam. Ich bin gar nicht dabei, sie sollen allein über ihre Probleme reden. Oder sie üben ein AIDS-Theaterstück ein. Ein Karton mit Kondomen steht auch da. Absichtlich, damit sie sich Kondome ohne Peinlichkeit mitnehmen können. Ich finde, auch Jugendliche müssen ihre Entscheidung für sich ganz persönlich treffen können.

Frage:
Aber das ist doch das Gegenteil von der staatlichen Kampagne ABC? Bekommt ihr keine Schwierigkeiten?
Antwort:
Nun ja, wir tun es einfach, ohne viel darüber zu reden. Wir müssen doch die Neuinfektionen stoppen! Das ist ehrlicher, als nur zu verbieten. In Deutschland hat mich besonders die Offenheit, über Sexualität zu sprechen, beeindruckt. Ich bin zwar gläubige Christin, aber ich finde es ziemlich schlimm, dass unsere Kirche auf Rusinga immer gegen Kondome predigt. Nach dem Gottesdienst kommen die Männer oft bei KIBISOM vorbei. Sie sind neugierig, was die Frauen dort machen. Und sie suchen unseren Karton – schnell sind alle Kondome weg. Heimlich, hinter dem Rücken der Kirche. Die Kondome holen wir bei der staatlichen Gesundheitsstation, auch das ist manchmal schwierig.

Frage:
Unsere Kirchen in Deutschland haben eine Kampagne gestartet, die die neuen antiretroviralen Medikamente auch für Afrika bereitstellen will.
Antwort:
Das ist eine gute Sache. Aber was hilft uns das wirklich? Auf leeren Magen kann man keine starken Pillen schlucken. Und wenn das Schulgeld von umgerechnet 35 Euro im Jahr nicht da ist, wie soll dann der Mindestpreis von einem Euro pro Tag für ein Medikament da sein? Es klingt schön, aber ich habe auch gehört, wie schwierig die Einnahme, Dosierung und Überwachung dieser Medikamente ist. Wir müssen allein 12 km zur nächsten Gesundheitsstation laufen. Schon ein Fahrradtaxi ist für viele Patienten zu teuer. Wir bringen gerade unseren Leuten bei, ihr Trinkwasser mit Solar zu desinfizieren. Außerdem fürchte ich, dass diese Kampagne am Ende nur den Firmen und Verteilern nützt. Wie oft werden Geschenke oben entgegen genommen, die nie die Basis auf dem Land erreicht! Und irgendwann, wenn die Tabletten nicht verteilt wurden, ist das Haltbarkeitsdatum abgelaufen und alles, was im Lager ist, wird verbrannt.

Frage:
Das klingt nicht optimistisch. Was stellst du dir als langfristige Lösung vor?
Antwort:
Viele Pläne der Regierungen und Hilfsorganisationen klingen toll, aber Tatsache ist, dass unsere Leute trotz Entwicklungshilfe immer ärmer werden. Deshalb setzen wir von KIBISOM auf Prävention. Wir helfen direkt an der Basis. Wir verteilen Kondome bei den Fischern und bestellen mit Jugendlichen und Witwen gemeinsam ihre Felder. Wir helfen, dass die Kinder zur Schule gehen. Nahrung und Bildung sind das Wichtigste. Außerdem würden wir gern die Medikamente bekommen, die die opportunistischen Infektionen behandeln, damit junge Eltern länger leben und den AIDS-Kranken Linderung verschafft wird. Die wären nicht teuer, aber es gibt sie trotzdem nicht. Unsere AIDS-Kranken sterben so schnell, weil sie nichts außer ein paar Schmerztabletten bekommen. Nicht einmal Handschuhe haben wir für unsere Pflege.

Frage:
Esther, was machst du, wenn du nächste Woche nach Kenia zurück kommst?
Antwort:
Ich habe einige Geldspenden bekommen und werde mit den Frauen ein abschließbares Markthaus bauen. Dann müssen wir unser Getreide und Gemüse nicht immer früh auf dem Kopf zum Markt hin- und am Nachmittag wieder heim schleppen. Wir könnten die Sachen einschließen und statt dessen das Trinkwasser aus dem See mit nach Hause tragen. Das spart Wege und ist ein großer Fortschritt. Außerdem werden wir unsere Felder mit Zäunen sichern, damit die herumlaufenden Kühe uns nicht alles abfressen. Wir haben gesundes Gemüse und es schafft Einkommen, damit wir unsere Waisenkinder in die Schule schicken können. Das erspart ihnen das Elend als Waisen. Wir danken unseren Freunden in Deutschland zutiefst, weil sie uns in diesen schwierigen Zeiten beistehen. Das macht Mut. Außerdem lade ich jeden ein, uns zu besuchen und mit uns einmal zu leben.
Siehe auch unter: Urlaub in Afrika

   

 

 

 

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